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Schreiben über's Schreiben unter der Überschrift "lesen"? Warum eigentlich nicht!

Gordons Geschwür

Zunächst einmal sind Lesen und Schreiben ja gar nicht so weit voneinander entfernt. Beides lernt man in Grundzügen bereits während der Schulzeit, und ohne das eine könnte das andere wohl kaum existieren. Ein deutlicher Vorteil des Schreibens jedoch ist, daß es einem erlaubt, eine gewisse Kontrolle über das zu erlangen, was man liest. In diesem Sinne ist Schreiben, so wie ich es verstehe, nichts anderes als ein Lesen des Lebens.

Es hat mich noch nie sonderlich gereizt, meine kostbare Zeit mit theoretischen Recherchen zu verplempern, wie es beispielsweise für historische Romane unumgänglich ist. Glücklicherweise habe ich mich entschlossen, keine historischen Romane zu schreiben, sondern lieber im eigenen Leben zu recherchieren. Und das läßt sich in der Regel auch gar nicht vermeiden. Vielleicht bin ich ja einfach nur faul. Richtig ist sicherlich, daß mein Schreiben immer auch aus einer gewissen Not heraus entsteht, nie jedoch aus Langeweile oder Überdruß. Insofern ist vielleicht der Schmerz meine Muse.

Schreiben passiert. Man kann es nicht erzwingen. Also bezeichne ich mein Schreiben als Kunst. Sobald sich Routine einschleicht, wird es zum Handwerk. Doch ganz ohne Feinarbeit geht es nun mal nicht. Kunsthandwerk also. Hier meine Arbeitsweise: ich kotze mich aus, genieße die Erleichterung und beginne dann akribisch mit der undankbaren Aufgabe, die zufällige Anordnung der Bröckchen zu harmonisieren. Anders herum dagegen beim Essen: da hebe ich mir die besten Happen immer auf, bis sie kalt sind. Liebe, Tod und andere Halluzinationen
Was ist es denn nun, das ich da schreibe? Für Trash mit Sicherheit zu tiefsinnig, für hochgeistig zu platt und obszön. Oh ja, obszön! Das macht doch auch Spaß. Und es gibt viel zu lernen, wenn man im Sog die inneren Grenzen passiert. Es gibt erstaunlich erschreckende Momente, wenn man in den Spiegel schaut. Manchmal ist es ganz schön kalt im Keller. Und schreiben macht einsam, wenn man's nicht eh schon ist. Doch nur so läßt sich eine Moral entwickeln, die den Anforderungen der eigenen Realität gewachsen ist und respektiert werden kann. Wie mit dem Kind und der Herdplatte.
Was Schreiben zur Sucht macht: es kann das Leben ersetzen. Dann sollte man zwischendurch wenigstens mal fernsehen. Es muß auch das Leben ersetzen, da Schreiben zum Leben wird, wenn man schreibt. Geht ja gar nicht anders. Genauso, wie es schneit, wenn es schneit. Oder zumindest gefrorenen Regen regnet.
Schreiben kann einem auch den Knast ersparen. Oder die Gummizelle. Besser schreiben, als rückstandsfrei verdampfen. Lieber in der Phantasie leben, als gar nicht. Lieber Gurken essen, als Grünzeug. Oder so ähnlich. War da nicht was?

Ach ja! Während "Eis-Zeit" noch fast ein ganzes Jahr in der Bratröhre war und mit Bleistift geschah, habe ich "Gordons Geschwür" in sechs atemberaubenden Wochen in den Rechner gehackt. Aus persönlichen Gründen. Danach ging es mir nicht unbedingt besser, aber anders. Immerhin. Die Gedichte sind meist in komprimierten Phasen entstanden und komprimieren Phasen. Wer den Schlüssel nicht hat, kriegt die Tür auch nicht auf. Eins ist jedenfalls klar: etwas zu schreiben, garantiert noch lange nicht, es auch zu verstehen. Das ist wie mit dem Schrecken und dem Spiegel.

In den Geschichten haben sich abends kleine Gedanken des Tages entladen. Da ich kein Laptop besitze, bin ich auf Notizen angewiesen. Ist auch viel unauffälliger, und manchmal verdammt effektiv. Wenn man bedenkt, daß aus zwei Zeilen Notiz auf einem alten Kassenbon ein ganzer Roman entstehen kann, sind Schriftsteller sowas wie Gärtner. Ohnehin hat Kreativität ja sehr viel mit Zeugung zu tun. Vielleicht werde ich nicht mehr ganz so obszön schreiben, wenn ich eines Tages mal Vater bin. Wäre schade, hätte aber auch seinen Reiz. Schließlich ist es nicht immer nur witzig, vom Eros durch's Leben gepeitscht zu werden. Doch eigentlich bin ich wohl ein ganz netter Kerl. Hab' auch noch nie jemanden umgebracht und halte immer an roten Ampeln. Selbst mit dem Fahrrad, wofür mich viele verlachen. Apropos Falafel... Wenn ich nicht genau wüßte, daß ich definitiv nicht wahnsinnig bin, dann würde ich es jetzt vielleicht glauben. Denn schließlich liest man ja auch beim Schreiben...

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